07.09.2007 - Keller setzt auf Kämpfertugenden
Keller setzt auf Kämpfertugenden
Fußball-Oberliga: Co-Trainer Michael Bauer gibt seinen Posten ab - Interimscoach vor schwerer Aufgabe
Vor Saisonbeginn herrschte beim Fußball-Oberligisten FSV Zwickau eitel Sonnenschein. Inzwischen sind dunkle Wolken über der Halde aufgezogen. Die Mannschaft, die um den Aufstieg mitspielen wollte, rangiert am Tabellenende. Nach dem völlig verkorksten Start sah sich das Vereinspräsidium Anfang der Woche zu einem Trainerwechsel gezwungen.
Einen Tag nach der Entlassung von Heinz Dietzsch hat dessen Co-Trainer sein Amt niedergelegt. "Da sind so viele Dinge im Umfeld passiert, die mich dazu bewegt haben", ließ Michael Bauer durchblicken, wollte in der Öffentlichkeit aber keine Details nennen.
"Ich will einer neuen sportlichen Leitung nicht im Weg stehen", betont Bauer. Dem als Interimstrainer eingesetzten Peter Keller werde er bei Bedarf gern mit seinem Rat unterstützen, er wolle aber nicht mehr am Trainings- und Spielbetrieb teilnehmen. "Ich brauche erst mal eine Auszeit", sagt Bauer, der seinen Malerbetrieb zugunsten des Halbtagsjobs beim FSV in letzter Zeit etwas vernachlässigt hatte. "Ich muss mich jetzt mehr um meine Firma kümmern, da, wo ich mein Geld verdiene." Michael Bauer steht für den Co-Trainer-Posten zwar nicht mehr zur Verfügung, er will dem Verein aber in irgendeiner Form erhalten bleiben. "Ich hoffe, dass die Mannschaft trotzdem das erreicht, was sie sich vorgenommen hatte."
Peter Keller soll nun vorübergehend die Geschicke leiten. Den ehemaligen Zweitliga-Profi in Diensten des Chemnitzer FC, des FSV Zwickau und von Alemannia Aachen erwartet keine leichte Aufgabe. "Die Spieler sind ganz schön niedergeschlagen durch die vier Misserfolge. Die Beine sind bei vielen schwer wie Blei. Da gibt's eine Menge Arbeit", weiß der 46-Jährige. In den letzten Spielen waren Schnelligkeitsnachteile bei einigen Zwickauern zu sehen. "Die müssen wir so schnell wie möglich abbauen." Natürlich kann er in drei, vier Tagen keine Wunderdinge bewirken. "Ich muss auf die alten Tugenden zurückgreifen und die Mannschaft so einstellen, dass sie kämpferisch überzeugt", kündigt Keller an. "Wir wollen uns erhobenen Hauptes verkaufen." Alle Spieler müssen sich bei ihm neu beweisen, keiner ist automatisch gesetzt. "Für mich geht es bei Null los. Sicherlich haben ein paar ältere Spieler einen Bonus, aber ich bin nicht voreingenommen. Allein die Leistung zählt." Peter Keller hat als Trainer auch die zweite Mannschaft unter seinen Fittichen, mit der er in der Bezirksklasse einen prima Start hinlegen konnte: zwei Spiele, zwei Siege. Am Sonntag, wenn seine FSV-Fohlen in Oelsnitz/V. zu Gast sind, wird er jedoch bei der "Ersten" gegen Markranstädt auf der Bank sitzen. "Ich möchte schon, dass es ordentlich weiterläuft", unterstreicht Keller. "Wir müssen eine Lösung finden, es soll ja nicht langfristig sein." Für gestern Abend hatte der Interimscoach ein Trainingsspiel zwischen der ersten und zweiten Mannschaft auf den Plan gesetzt, um alle Spieler unter die Lupe zu nehmen. Eventuell erhält ja Marcus Balg, der in der "Zweiten" in zwei Partien viermal getroffen hat, eine Einsatzmöglichkeit im Oberligateam. Und vielleicht müssen sich gestandene Akteure, die ihrer Form hinterherlaufen, erst mal beim FSV II bewähren.
"Es ist verwunderlich, dass die Spieler in so ein Loch geraten sind", fasst Keller die Situation beim Tabellenletzten zusammen. Er hofft, dass es ihm gelingt, etwas zu bewegen. Es komme darauf an, im Kopf lockerer zu werden. Das beste Rezept dafür ist ein Erfolgserlebnis.
FSV-Trainer nach der Ära Gerd Schädlich
Joachim Streich (6.1. bis 30.6.1997)
Heinz-Werner (1.7. bis 15.10.1997)
Karl-Heinz Körbel (15.10.97 bis 4/98)
Hans-Uwe Pilz (7.4. bis 7.6.1998)
Hans-Jürgen Dörner (6/98 bis 31.8.99)
Hans-Uwe Pilz (1.9. bis 12/1999)
Konrad Weise (28.12.99 bis 7.6.2002)
Robby Doege (6.7.2002 bis 6/2003)
Bernd Tipold (1.7.2003 bis 19.3.2004)
Peter Brändel (20.3. bis 5/2004)
Jens Große (1.7. bis 13.12.2004)
Uwe Ferl (3.1. 2005 bis 10.4.2007)
Heinz Dietzsch (April bis 4.9.2007)
13 Trainer in zehn Jahren
Heinz Dietzsch kritisiert Verein
Die Trennung des FSV von Heinz Dietzsch erfolgte keineswegs "im gegenseitigen Einvernehmen", wie es in der Pressemitteilung des Vereins am Dienstag geheißen hatte. "Das ist Quatsch! Ich schmeiße doch nicht nach vier Spielen alles hin", erklärte der gefeuerte Trainer gestern gegenüber "Freie Presse". "Gerade jetzt, wo die entscheidenden Spiele kommen, in denen wir punkten können." Zugleich kritisierte der 60-Jährige die Personalpolitik des FSV, der in den zehn Jahren seit der Entlassung von Gerd Schädlich bereits 13 (!) Trainer vor die Tür gesetzt hat und danach teilweise noch eine ganze Weile bezahlen musste. "Die geben keinem eine Chance, mal längerfristig etwas aufzubauen." Man fragt sich, woher der Verein das Geld nehmen will, um einen fachlich adäquaten und kostengünstigen Ersatz zu finden. "Die reißen immer wieder neue Löcher auf", gibt Dietzsch zu bedenken. "Die wollen den zweiten Schritt vor dem ersten machen."
(Quelle: Thomas Croy; Freie Presse vom 07.09.2007)
-- zurück zur Saison 2007/08