02.Runde, Hinspiel im Europapokal der Pokalsieger 1975/1976: AC Florenz vs. BSG Sachsenring Zwickau 1:0

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Spielbericht

Zwei Ungereimtheiten kosteten das 0:0

Die Empfindungen der Sachsenring-Elf artikulierte Jürgen Croy: "Unsere größte internationale Bewährung. Wir brauchen Herz und Verstand:" Respektlos, beherrscht, nervenstark und diszipliniert, ohne Komplexe, erwies sich die Mannschaft dieser EC-Aufgabe gewachsen. Daß allein zwei Ungereimtheiten das 0:0 kosteten, davon wird noch die Rede sein. Was im ersten Aufeinandertreffen beider Kontrahenten für den AC Florenz entschied, analysieren wir an fünf spezifischen Schwerpunkten. Als da sind:

TAKTIK: Beide Cupvertreter bevorzugten das 1-3-3-3. Ein neuer Einfall war nicht zu registrieren. Da beide Liberos das Safety first bevorzugten, blieben Überraschungseffekte auf die Vorstopper beschränkt. Henschel operierte da weitaus agiler als Della Martira. Den offensivsten Verteidiger aber besaß die Fiorentina mit Roggi. "Im Zentrum machten die Italiener nicht den sichersten Eindruck", urteilte Heinz Dietzsch. Was in Zwickau zu beweisen sein wird! Zwei konstruktive Mittelfeldspieler (Antognoni, Merlo) und ein deckungstreuer Läufer (Guerini) sorgten für das optische Übergewicht der Gastgeber. "Antognoni ließ sich nicht ausschalten. Davon profitierten wir ungemein", so ACF-Trainer Carlo Mazzone. Eine Schwäche J. Schykowskis, der weit unter Bestform blieb. Sachsenring vertraute vollends der Deckungsdisziplin. "Vieles kam da meinen Vorstellungen nahe", resümierte Karl-Heinz Kluge. Raumverengung und zahlenmäßiges Übergewicht in der Abwehr, Abgeklärtheit (Henschel), Stellungsspiel (H.Schykowski) und Souveränität (Croy) erhielten die innere Stabilität der Westsachsen. Fazit: Mit Merlo und Dietzsch paralysierten sich zwei der wichtigsten Spielmacher nicht gegenseitig. Der bessere Part Antognonis gegen J. Schykowski verschuf Florenz deutliche Vorteile!

TECHNIK: Ballbehandlung (Annahme, Kontrolle, Abspiel) offerierte Florenz eleganter, sicherer. Das Leder blieb am Fuß, sprang nicht (wie bei mehreren Zwickauern) weit weg. Kopfballstärke wiesen beide Mannschaften nur in den Deckungsräumen nach, im direkten Zweikampf. Plazierte Kopfbälle aufs Tor dagegen Fehlanzeige. Fazit: Mit den besseren technischen Mitteln buchten die Italiener mindestens 70 Prozent aller Zweikämpfe für sich. Aus fehlerhafter Technik resultierte bei ihnen kein unnötiger Kraftverschleiß. Zu große Unterschiede traten bei Zwickau im Gebrauch der handwerklichen Mittel auf.

KONDITION: Am läuferischen Einsatz gab es hier wie da keine Abstriche zu machen. Wo die Italiener mit kurzen Antritten, Temposprints überzeugten (Caso, Bresciani, Roggi), bot Sachsenring die größere Ausdauerfähigkeit. Temposcharfe Beschleunigung vor den Strafräumen gehörte hier wie da nur selten zum Repertoire. "Psychisch machten die Zwickauer einen ausgezeichneten Eindruck auf mich", anerkannte Florenz-Präsident Dr. Ugolino Ugolini. Fazit: Ein höheres Tempo als im Stadio Comunale wird der Fiorentina sicherlich Sorgen bereiten. Pellegrini, Guerini und Casarsa (Aduktorenbeschwerden) erschienen unaustrainiert. Behebt Kluge den Konditionsrückstand von Leuschner und Masseur Petzold, die Fußprellung von Dietzsch, darf Zwickau im Rückspiel noch stärker als in Florenz auf die Trumpfkarte Fitneß setzen!

ANGRIFFSENTWICKLUNG: Breitgefächert, schleppend, mit langen Ballpasagen suchte Florenz den Weg zum Tor. "Nicht zuletzt durch unser konsequentes Stören am Mann ausgelöst", erklärte Sachsenring-Sektionsleiter Dieter Bretschneider. Die Bälle rückwärts abprallen zu lassen, anstatt sie in der schnellen Bewegung mitzunehmen, offenbarte die technisch-taktischen Rückstände zum modernen Angriffsspiel unserer Tage. Beim DDR-Pokalsieger lag es zwar nicht in den Intentionen Kluges, so harmlos in Erscheinung zu treten, über höchst sporadische Aktionen kamen die Gäste jedoch nicht hinaus. Fazit: Antagnoni, er vor allem, und Merlo (sein Steilpaß bereitete das 1:0 vor) plazierten ihre Flugbälle temperierter zum eigenen Mann, erleichterten die Verwertung. Sachsenrings Flügelstürmer strapazierten sich dagegen in unproduktivem Hinterherlaufen. Die Gassen waren zu, als sie zum Sprint ansetzten!

TORGEFÄHRLICHKEIT: Die Spitzen der Fiorentina spielten beweglicher, direkter zum Tor, einfallsreicher mit variablen Positionswechseln. Lediglich Blank (fleißig, kämpferisch engagiert) bot da Gleichwertiges. Speggiorins Treffer war der klassische Ausdruck, wie im italienischen Catenaccio blitzschnelles Erfassen und Ausnutzen der Situation eine Einheit bilden. Fazit: Vorteile für Florenz im Chancenanteil (4:0); bei Torschüssen (11:4) und Ecken (6:0). Und selbst wenn der Referee eigenwillige Regelauslegungen bot, Bräutigams Foulspiel an Superchi, das den Feldverweis (64.) nach sich zog, war der schlechteste Dienst, den er sich selbst und seiner Mannschaft erwies. Nicht alles darf mit fehlender internationaler Reife entschuldigt werden!

Bleibt noch festzuhalten: Das 0:1 ist reparabel. War gegen Panathinaikos aber nur ein 1:0 notwendig, ist gegen Florenz ein 2:0 unabdingbar. Warum sollte Utopie sein, was gegen die Griechen schon in die Tat umgesetzt wurde?

(Quelle: Die neue Fußballwoche; Autor: Günther Simon)

Tor

1:0 Speggiorin (70.)

Aufstellungen

AC Florenz: (Trainer: C. Mazzone)

Superchi, Pellegrini, Beatrice, Della Martira, Roggi, Guerini (65. Desolati), Antognoni, Merlo. Caso, Casarsa (46. Speggiorin), Bresciani

BSG Sachsenring Zwickau: (Trainer: K.-H. Kluge)

Croy, H. Schykowski, Stemmler, Henschel, Reichelt, Leuschner, J. Schykowski, Dietzsch, Blank, Bräutigam, Braun

Schiedsrichterkollektiv

Cajic, Ristic, Matovinovic (alle Jugoslawien)

Zuschauer

13.468

Spielort

Stadio Comunale Artemio Franchi, Florenz

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