header

mobsmall
[ Geisterspiele? - Nicht in Zwickau! ]
Das Coronavirus hat die deutsche Sportwelt und insbesondere den Fußball von der Bundesliga bis hin in die tiefsten Niederungen lahm gelegt. Doch während der Amateursport vernünftigerweise ruhen muss und hunderttausende Freizeitfußballer nicht ihrem liebsten Hobby nachgehen dürfen, diskutiert der Profifußball über eine schnellstmögliche Wiederaufnahme des Ligabetriebs.
In dieser Diskussion bezieht die Zwickauer Fanszene Stellung und spricht sich dafür aus, den Spielbetrieb im deutschen Profifußball bis auf Weiteres ruhen zu lassen. Mit diesem Statement wollen wir zudem den Verantwortlichen des FSV den Rücken stärken, sich weiterhin gegen eine zeitnahe Wiederaufnahme des Ligabetriebs und Geisterspiel auszusprechen.
In den folgenden Ausführungen legen wir unsere Beweggründe für diese Forderung dar.

Gesundheitliche Risiken
Das Coronavirus macht auch vor dem deutschen Profifußball keinen Halt. Dies haben die jüngsten Ergebnisse der ersten Testreihe in den beiden Bundesligen gezeigt. Wie unbesorgt zudem ein oder vielleicht auch mehrere Spieler mit dem Thema umgehen, hat Salomon Kalou von Hertha BSC bewiesen. Die Wiederaufnahme des Spielbetriebs birgt trotz eines umfangreichen Hygienekonzeptes mindestens ein Restrisiko, das Coronavirus weiter zu verbreiten. Es scheint, als wären auch die Verantwortlichen von DFB und DFL nicht vollständig von ihrem Hygienekonzept überzeugt. Dies wird spätestens darin deutlich, dass nach unseren Informationen die Spieler zusätzlich verpflichtet werden sollen einen Haftungsausschluss zu unterschreiben. DFB und DFL fordern demnach die Wiederaufnahme des Spielbetriebes unter erhöhtem Risiko, übertragen im selben Atemzug aber die medizinische Verantwortung von sich auf die Spieler. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen!
Neben dem Ansteckungsrisiko setzen sich die Spieler jedoch auch einem erhöhten Verletzungsrisiko aus. Bei einer Wiederaufnahme des Spielbetriebs ist mit einem engmaschigen Spielrhythmus zu rechnen, welcher auch bei einer Erhöhung der Wechselmöglichkeiten in einem Spiel das Risiko für ernsthafte Verletzungen erhöht. Die Gesundheit der Fußballspieler und ihrer Angehörigen wird von allen Verantwortlichen, die sich für eine schnellstmögliche Wiederaufnahme des Ligabetriebs aussprechen, leichtfertig aufs Spiel gesetzt.

Wirtschaftlicher Aspekt
Die wirtschaftlichen Folgen für den Fußball durch das Coronavirus sind derzeit noch nicht abschätzbar. Für den FSV wird sich der finanzielle Schaden bei einer Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der dritten Liga nach ersten Schätzungen auf circa eine Million Euro belaufen. Viele Vereine in der dritten Liga sind von den verlässlichen Zuschauereinnahmen an den Heimspieltagen abhängig und können grundsätzlich nicht auf die überdimensionierten Fernsehgelder der ersten beiden Bundesligen zurückgreifen. Überhaupt ist die Frage aufzuwerfen, wie es sein kann, dass zahlreiche Fußballclubs in den beiden Bundesligen auf eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs drängen, um dem finanziellen Kollaps zu entgehen. Offensichtlich ist das System Profifußball als Ganzes trotz voller Stadien und Abermillionen schwerer Fußballclubs kaum nachhaltig und höchst unsolidarisch.
Kurzum: der Profifußball ist schon lange schwer krank und er widert uns als Fußballfans an. Statt weiterhin die Augen vor horrenden Spielergehältern, astronomischen Ablösesummen und unsozialen Pay-TV-Verträgen zu verschließen, sollte der deutsche Fußball die Zeit des Stillstands nutzen um die Themen Nachhaltigkeit, Solidarität, Sozialität und freie Zugänglichkeit erneut in den Fokus zu rücken.

Sportliche Situation
Bedingt durch die unterschiedlichen Voraussetzungen an den jeweiligen Standorten in der dritten Liga ist mit einem ungleichen Wettbewerb zu rechnen. So befinden sich mehrere Mannschaften bereits seit einigen Wochen wieder im (fast) regulären Trainingsbetrieb. Für andere Vereine - wie beispielsweise unserem FSV - war dies aufgrund von behördlichen Verordnungen nur in Kleingruppen möglich. Ganz grundsätzlich sollten zudem gleiche Bedingungen, sowohl für Amateurfußballer und Breitensportler, als auch für einen Drittligafußballer gelten. Das Infektionsrisiko ist schließlich das Gleiche, unabhängig davon ob der Sport als Hobby oder Hauptberuf ausgeübt wird.
Eine schnellstmögliche Wiederaufnahme des Ligabetriebs in der dritten Liga sorgt aufgrund der ungleichen Ausgangsbedingungen für einen verzerrten Wettbewerb. Ein verzerrter Wettbewerb wiederum ist weder im Sinne der Fans, noch im Sinne des Sports. Fußballclubs und Verbände sind gefragt, eine solidarische und für alle Beteiligten annehmbare Lösung zu finden. Orientierung könnten die Modelle der Deutschen Handball Liga oder der Deutschen Eishockey Liga bieten, in welchen der Ligabetrieb bereits abgebrochen wurde.

Testressourcen
Landauf landab gibt es Millionen von Arbeitnehmerinnen, die den täglichen Kontakt zu Mitmenschen beispielsweise im Gesundheits- und Pflegesektor, nicht vermeiden können. Diese Personen, sind auf die sowieso schon viel zu knappen Testressourcen angewiesen. Im selben Atemzug, soll eine kleine elitäre Gruppe im deutschen Profifußball fernab der gesellschaftlichen Realität mehrfach getestet werden. Dabei ist es unerheblich, woher die Testkapazitäten kommen, wer sie bezahlt und ob sie in der Gesellschaft tatsächlich fehlen oder nicht. Die Vereine müssen sich diesem gefühlskalten Weg zwangsläufig unterwerfen. Der daraus resultierende Imageschaden ist nicht absehbar. Während DFB-Präsident Fritz Keller medienwirksam mitteilte, dass der Fußball keine Sonderrolle beansprucht, nimmt jener diese Sonderrolle nun wohlwissend ein.

Moralische Bedenken
Wenn die Eindämmungsverordnungen etwas Gutes haben, dann dass sie für alle Menschen unabhängig von Einkünften, sozialer Stellung oder anderer Kriterien festgelegt sind. Dass sich der Fußball mit aller Macht eine Sonderrolle aneignen und über die bestehenden Beschränkungen hinwegsetzen will, ist moralisch nicht zu vertreten. Es demonstriert aber in eindrucksvoller Weise, wie sehr sich der Profifußball bereits von der Basis des Sports und der Anhängerschaft, ja eigentlich von der gesamten Gesellschaft entfernt hat.
Stellt man gewisse Verfahrenweisen des Profifußballs in Frage, stilisieren sich hochrangige Verbands- und Vereinsfunktionäre zu Moralapostel. Es ist leichter beim Stand von 0:6 einen Ball von A nach B zu schieben und dieses Schauspiel in den Medien als gesellschaftliche Verantwortung zu verkaufen. Wahre Größe zeigt, wer auch in diesen schweren Zeiten eine moralische und verantwortungsvolle Entscheidung fernab von finanziellen Mechanismen trifft. Hier demaskiert sich das Fußball-Business. Denn was häufig in den Diskussionen vergessen wird und worauf sich der DFB selbst immer wieder beruft: Profifußball hat in unserer Gesellschaft auch eine Vorbildfunktion. Dieser wird er, insbesondere gegenüber fußballbegeisterten Kindern, Hobbyfußballern und Breitensportlern, bei einer Wiederaufnahme des Spielbetriebs nicht gerecht.
Moralisch bedenklich ist es außerdem in diesen Zeiten gesellschaftliche Veranstaltungen zu organisieren, die zwar im Stadion keine Zuschauerströme zulassen, aber aufgrund ihrer Strahlkraft das Potenzial haben (weitab) außerhalb der Fußballstadien für Zusammenkünfte von Menschen zu sorgen.

Resümee
DFB und DFL und der gesamte Profifußball haben sich so weit von der Basis und der Anhängerschaft entfernt wie noch nie zuvor. Sie zeigen in diesen Tagen ihr wahres Gesicht. Die Gesundheit der Spieler, ein gerechter Wettbewerb, verantwortungsvoller Umgang mit Testressourcen und die Vorbildfunktion werden zur Nebensache. Man opfert sie für einige Millionen von Euro und die damit verbundene Rettung eines sowieso schon krankenden Systems.
Sollte es tatsächlich, allen Argumenten zum Trotz, zeitnah zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs kommen, so darf sich der Profifußball nicht über zunehmende Entfremdungstendenzen zur Basis des Fußballsports und den Fanszenen wundern. Der Profifußball handelt ausschließlich aus seinem eigenem Interesse. Er stellt sich nicht auf die Seite der Gesellschaft, sondern über sie. Auf diese Weise wird er seiner sozialen Verantwortung nicht gerecht und produziert mehr denn je Fußballfans und hoffentlich auch ganze Vereine, die sich gegen diese widerlichen Auswüchse zur Wehr setzen.

Fanszene Zwickau Mai 2020
10.05.20


Updates

Navigation


KONTAKT@RED KAOS